Die Sicherheitsschleuse fiept gnadenlos. Geschäftig reichen die Security-Mitarbeiter Plastikschalen herum und fordern alle Besucher auf, Uhren und Geldbörsen abzulegen. Unter ihnen: Felix Fiege und Jens Fiege. Zu dieser Halle des Logistikunternehmens, das ihren Namen trägt, haben selbst Vorstandsmitglieder nur bestens kontrolliert Zutritt. "Wir wickeln hier den Paketversand von MediaMarkt ab", erläutert Felix Fiege. "Auf Wunsch dieses langjährigen Kunden stellen wir an Schleusen sicher, dass niemand mit einem iPhone 6 reinkommt und mit einem iPhone 8 rausgeht."

Individuelle Lösungen nach Kundenwunsch gehören bei FIEGE zum Geschäftsmodell - und das Logistikunternehmen geht dabei über die Lagerung und den Versand von Ware hinaus. FIEGE-Mitarbeiter nähen Logos auf Textilien, schrauben Motoren zusammen und statten Laptops mit Software aus. Mitunter entwickeln sich aus solchen Spezialservices ganze Sparten. Am Standort Münster etwa sterilisiert FIEGE Operationsbesteck und sorgt dafür, dass Krankenhäuser die Geräte rasch wieder einsetzen können.

"Beispiele wie die Medizinlogistik zeigen, wie hoch der Spezialisierungsgrad unserer Branche geworden ist", sagt Jens Fiege. "Die Kunden erwarten, dass wir auf Augenhöhe mit ihnen sprechen und Herausforderungen gemeinsam angehen." Aus dieser Entwicklung zogen die Vettern Konsequenzen: Nach dem Ausscheiden ihrer Väter 2015 strukturierten sie das Unternehmen um. "Früher war FIEGE regional geprägt", erläutert Felix Fiege. "Das bedeutet, dass beispielsweise FIEGE Nord sämtliche Kunden in seiner Region bediente. Heute sind wir in Business Units organisiert, die sich ganz auf Fokusmärkte und -branchen spezialisiert haben." Dadurch sei es noch besser möglich, diese Märkte gemeinsam mit den Kunden zu verändern, so Felix Fiege.

Die ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Hugo Fiege und Heinz Fiege haben den Umbau interessiert und gelassen verfolgt, erinnert sich Jens Fiege. "Mein Onkel und mein Vater wissen, dass sich wandeln muss, wer wachsen will." Nach dieser Devise hätten sie selbst in den 80er-Jahren eine Revolution angezettelt: Hugo und Heinz Fiege formten aus einer Spedition den ersten Kontraktlogistiker Deutschlands. Ausgangspunkt war die Bitte eines Kunden um ein Rundum-Sorglos-Paket - Importabwicklung, Lagerung, Versand und die Abwicklung von Retouren aus einer Hand. "Unsere Väter nutzten dies als Chance, das Speditionsgeschäft bedeutend zu erweitern - und erfanden die ganzheitliche Kontraktlogistik. Mit diesem Service entlang der gesamten Versorgungskette war es möglich Geschäftsbeziehungen entscheidend auszubauen", sagt Jens Fiege.

Der Wechsel von Heinz und Hugo zu Jens und Felix Fiege fiel mit einer Entwicklung zusammen, an der Unternehmen oft verzweifeln, der Digitalisierung. "Unsere Generation tut sich damit naturgemäß leichter als die unserer Väter", sagt Felix Fiege. "Wir bauen aber auf dem auf, was Heinz und Hugo Fiege eingeführt haben." FIEGE gehörte vor über 20 Jahren zu den ersten Logistikern, die E-Commerce-Sendungen verschickt haben. Heute bringt FIEGE Firmen online, die ihre Geschäfte noch offline abwickeln. "Dabei übernehmen wir den gesamten Prozess von der IT-Implementierung über den Kundenservice und die Zahlungsabwicklung bis zur Anbindung an internationale Online-Marktplätze zum Beispiel in China", so Felix Fiege.

FIEGE ist aber nicht nur als E-Commerce-Partner gefragt. Das Grevener Logistikunternehmen hat sich auch in der Start-up-Szene einen Namen gemacht. "Gründer benötigen Kapital und Beratung vor allem in der Frühphase", sagt Jens Fiege. "Wir bieten Start-ups neben Wachstumsfinanzierung - dem sogenannten 'smart money' - weitere sehr wichtige Unterstützung." Dazu gehöre etwa die Möglichkeit, Pilotprojekte umzusetzen, sich bei Partnern Türen öffnen zu lassen oder von der FIEGE-Infrastruktur zu profitieren. Generell helfe FIEGE Start-ups dabei, ihre Innovationen in einem realen Umfeld zu verproben. "Mit uns haben Start-ups eine gute Chance ihr Produkt zur Marktreife zu bringen und schnell zu wachsen. Das ist ein bedeutender Unterschied zur Wachstumsfinanzierung durch Banken oder Venture Funds", sagt Jens Fiege.

Die Fähigkeit, schnell zu entscheiden, gehört laut Felix und Jens Fiege zu den großen Vorzügen von Familienunternehmen gegenüber börsennotierten Wettbewerbern. Dass es dabei gelegentlich zu Rückschlägen komme, müsse man in Kauf nehmen: Besser ein Pilot scheitere früh als sich über eine verpasste Gelegenheit zu ärgern. Diese Einstellung vermitteln die Vettern bei sogenannten Familientagen der nächsten, inzwischen sechsten Generation. Und auch die Väter bleiben dem Unternehmen verbunden. So hat Dr. Hugo Fiege der erst kürzlich neu gestalteten Kantine bereits ein Jubiläum beschert: Er feierte in der KOSTbar seinen 70. Geburtstag.