Waldeigentum verpflichtet

Waldeigentum verpflichtet

Die Familie von Ignaz Graf zu Toerring-Jettenbach besitzt seit mehr als 800 Jahren Wald. Zu den Stammflächen östlich des Chiemsees gesellte sich im Laufe der Jahrhunderte Eigentum bei Winhöring am Inn, in Baden-Württemberg und in der Slowakei. Für den Vater von fünf Töchtern ergibt sich daraus eine Pflicht: Wachstum im wahrsten Sinne des Wortes zu generieren.

"Haben Sie eine Vermutung, was hier passiert ist?" Ignaz Graf zu Toerring-Jettenbach zeigt auf eine Lichtung. Inmitten eines dichten Baumbestands klafft eine Lücke, auf der kaum mehr zu wachsen scheint als hüfthohe Brombeerbüsche. Nur vereinzelt ragen Stämme in die Höhe wie Stecknadeln aus einem Wollknäuel. Nach einem Moment ratloser Stille löst der Waldeigentümer auf: "An dieser Stelle mussten wir etliche Fichten entnehmen, die vom Borkenkäfer befallen waren." Beim Betreten der Lichtung fällt auf, dass Schneisen das Gestrüpp durchziehen. Sie dienen winzigen Nadelbäumen als Kinderstube. "Diese Jungtannen überleben nur mit unserer Hilfe", erläutert Ignaz Toerring. Auf Lichtungen sei es zu hell, als dass sich langsam wachsende Pflanzen durchsetzen könnten.

Für mich bedeutet das Rauschen der Bäume Heimat.

 

Auf den Laien wirkt der Toerring-Wald urig: ein Mix aus jungen und alten Fichten, dazwischen immer wieder Ahorne, Buchen oder Eichen, auf dem Boden bemoostes Totholz, und es duftet herbstlich nach Pilzen. Von "Ur"-Wald allerdings kann keine Rede sein. Im Eigentum der Familie befindet sich ausdrücklich Wirtschaftswald, insgesamt 4.000 Hektar. "Ich bin Unternehmer, und mein Hauptinteresse besteht darin, Sägewerke in der Region mit Holz zu beliefern", sagt Ignaz Toerring. Zugleich hätten seine Vorfahren und er selbst eine Form der Bewirtschaftung gefunden, die dem Schutz der Natur diene. Viele private Eigentümer hätten bereits im 18. Jahrhundert der Versuchung widerstanden, mehr Bäume zu fällen als nachwüchsen. Auch deshalb verfüge Deutschland bis heute über beachtliche Waldflächen – im Gegensatz etwa zu England und weiten Teilen Spaniens.

Auch für die Umweltbilanz insgesamt sei es vorteilhaft, dass der Mensch den Wald über Jahrhunderte kulturell geformt habe. Andernfalls würden in den meisten Lagen nur Laubbäume gedeihen, und Wiesen würden überwuchert, so der Forstunternehmer. "Viele Deutsche hegen die romantische Vorstellung, ein vollkommen der Natur überlassener Wald sei artenreicher. Das Gegenteil ist der Fall. Viele Tiere und Pflanzen finden ausschließlich in einem vom Menschen nachhaltig bewirtschafteten Wald die Nische, die sie zum Leben brauchen." Die Betonung legt Ignaz Toerring auf "nachhaltig". Denn spätestens mit dem Klimawandel stellten sich die nach dem Krieg vielleicht notwendigen, aber höchst anfälligen Monokulturen als Altlast heraus. Für seine Familie seien reine Kiefernforste, die manche Landschaften Deutschlands noch immer prägen, keine Option. Vielmehr erweise es sich heute als Vorteil, dass private Waldbesitzer wie die Toerrings vor rund 100 Jahren beispielsweise mit der Douglasie experimentiert hätten. Diese nordamerikanische Art ist im Wald bei Winhöring mit stattlichen Exemplaren vertreten, die mittlerweile regelmäßig Besuch von Forschern bekommen. Denn ihre dicke Borke schützt die Douglasie weitgehend gegen den Angriff des Borkenkäfers. Außerdem kommt dieser Nadelbaum besser mit Dürre zurecht als die Fichte – und wird so zu einem Kandidaten für eine klimaresiliente Forstwirtschaft.

Die Gesellschaft sollte sich zur nachhaltigen Forstwirtschaft bekennen statt von einem Urwald zu schwärmen, den es bei uns nicht mehr gibt.

 

Mit seiner bedachten Redeweise und der sparsamen Gestik wirkt Ignaz Toerring beherrscht und zurückhaltend. Doch beim Begriff "Klima" beginnen seine Augen zu blitzen. Er müsse mit einem weiteren Irrglauben aufräumen, setzt der Waldeigentümer an. "Gerade für den Klimaschutz ist es bedeutsam, den Wald nicht einfach Wald sein zu lassen. Sonst entwickelt sich ein geschlossener Kreislauf, in dem genauso viel CO2 abgegeben wie aufgenommen wird." Nur wenn der Mensch regelmäßig Holz aus dem Wald hole, um es beispielsweise als Baumaterial zu nutzen, bleibe das Kohlendioxid einige Jahrzehnte lang gebunden..

Damit die Familie auch in einer vom Klimawandel geprägten Zukunft Holz liefern kann, lässt Ignaz Toerring regelmäßig Daten sammeln: Von einem Flugzeug aus erstellt eine Kamera Bilder des Waldes, die der zuständige Förster per Software auswerten kann. Jeder Baum ab einer Höhe von rund zehn Metern wird erfasst. Die Spezies und das mutmaßliche Alter lassen sich ebenso erkennen wie der Zustand. Ignaz Toerring und Förster Armin Hirt erfahren auf diese Weise, wie viel Kubikmeter Holz auf einem Hektar wachsen, wo nachgepflanzt werden muss und wo Kooperationspartner Bäume fällen und abholen können. Trotz Digitalisierung stehen immer wieder reale Gänge durch den Wald an. Revierförster Hirt prüft beispielsweise regelmäßig, ob bestimmte Bäume am Waldrand den Straßenverkehr gefährden könnten. Denn auch dazu verpflichtet Waldeigentum. Ignaz Toerring seinerseits nutzt seine Wälder auch gern zur Erholung, so wie die vielen Besucher, die hier zu Fuß oder auf dem Mountainbike Freizeit genießen. "Ich bin in Waldnähe aufgewachsen", sagt der 56-Jährige. "Für mich bedeutet das Rauschen der Bäume Heimat."

 

Zur Person

Ignaz Graf zu Toerring-Jettenbach

kümmert sich in 27. Generation um den Forst bei Winhöring in Bayern. Für ihn ist der Wald nicht nur eine Einnahmequelle, sondern ein Stück Heimat.

 

Das Unternehmen

FORSTBETRIEB GRAF ZU TOERRING-JETTENBACH

Branche: Forst

In Familienbesitz seit 1210 

Mitarbeiter: 4

Umsatz: 5,2 Millionen Euro

 


 
Partner
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