„Ein Weinberg braucht Zeit zu reifen“

„Ein Weinberg braucht Zeit zu reifen“

Welche Rolle spielt Zeit im Weinbau? Bettina Bürklin-von Guradze zögert keinen Augenblick mit der Antwort: „Zeitmanagement ist das A und O“, so die Eigentümerin des Weinguts Dr. Bürklin-Wolf. 

 

Forst an der Weinstraße, Ende August. Aus dem Tal weht der Duft gärender Mirabellen die Weinberge hinauf und das Licht wirkt bereits herbstlich. „Noch einige Sonnentage, und wir können uns auf einen guten Riesling-Jahrgang freuen“, sagt Bettina Bürklin-von Guradze und streichelt ein paar der unscheinbaren Beeren, aus denen eine Kostbarkeit entstehen wird: Forster Kirchenstück Grand Cru für rund 200 Euro pro Flasche. Sobald die Trauben reifen, testet die Eigentümerin des Weinguts Dr. Bürklin-Wolf regelmäßig den Geschmack. Gemeinsam mit dem Kellermeister und dem Leiter der Weinberge bewertet sie Aromen, Süße und Säure und legt fest, wann die Erntehelfer einrücken. „Es ist viel Erfahrung notwendig, den optimalen Zeitpunkt zu treffen, zumal wir das Wetter berücksichtigen müssen – in Zeiten des Klimawandels mehr denn je.“

Viel Wissen und Fingerspitzengefühl brauchen die Mitarbeiter auch, um die Reben zu schützen und zu düngen. „Wir haben uns 2005 für biologisch-dynamischen Weinbau entschieden und arbeiten deshalb sehr viel punktgenauer als andere Winzer“, so Bettina Bürklin-von Guradze. Einem Befall mit Pilzen beispielsweise beugen Tees aus Löwenzahn, Schafgarbe, Kamille und Brennnesseln vor. „Statt die Chemiekeule zu schwingen, unterstützen wir die natürlichen Abwehrstrategien der Pflanzen“, erläutert die Winzerin. „Auf lange Sicht werden sie so robuster und gesünder.“ Noch weitaus anspruchsvoller als spezielle Tees zu kochen, ist das Kompostieren. Wie der perfekte Kompost entsteht, ließen sich Chefin und Mitarbeiter von einem Experten aus England beibringen. „Monty hat uns mit seinem Perfektionismus manchmal den letzten Nerv geraubt“, erinnert sich Bettina Bürklin-von Guradze. „Aber jetzt strotzen unsere Böden von Leben.“ 

Vom Forster Kirchenstück geht es hinunter nach Wachenheim, vorbei an Lagen mit klangvollen Namen wie Ungeheuer, Pechstein und Jesuitengarten. Aus dem Jesuitengarten kam 2012 der vorerst letzte Jahrgang. Die alten Weinstöcke wurden gerodet, danach durfte sich der Boden zwei Jahre lang erholen. Noch bis mindestens 2025 müssen sich Fans gedulden, bis der nächste Grand Cru aus dieser Lage lieferbar ist. „Ein Weinberg braucht Zeit zu reifen“, gibt Bettina Bürklin-von Guradze zu bedenken. 

In der Vinothek angelangt, öffnet sich ein traumhaftes Panorama: ein Landschaftsgarten nach englischem Vorbild. Gepflegte Rasenflächen, einzelne Bäume, eine Galerie aus Lavendel. An diesem Ort können Gäste die Zeit vergessen. Sie selbst komme in Wachenheim allerdings nie wirklich zur Ruhe, gesteht Bettina Bürklin-von Guradze. „Weinbau ist kein Nine-to-Five-Job. Wenn ich abschalten möchte, muss ich die Urlaubsregion Pfalz paradoxerweise verlassen.“ Sie reise dann beispielsweise zum Skifahren in die Alpen. Im Januar sei sowieso ausnahmsweise mal weniger zu tun. 

 


 
Partner
Logo Deutsche BankLogo KPMGLogo FBNLogo EFB

Die Stimme der Familienunternehmer